Wir sind Kirche, wir sind das Volk!

Nach 1989 wuchs in mir verstärkt die Hoffnung, dass der Heilige Geist auch in der Kirche scheinbar Unmögliches bewirken könnte! Wenn sich sogar ein scheinbar unumstößliches politisches Bollwerk eines menschenverachtenden Systems praktisch über Nacht auflösen kann, warum sollte dies nicht auch in der Kirche Jesu Christi möglich sein? Die Rufe »Wir sind das Volk« klingen uns noch allen in den Ohren. Könnte das Kirchenvolk, so frage ich mich, daraus nicht etwas lernen? Was würde wohl geschehen, wenn sich weltweit, nicht nur auf dem Petersplatz in Rom, sondern in möglichst vielen Diözesanmetropolen rund um den Globus Menschen in Montagsdemonstrationen versammelten und dem Papst und den Bischöfen zurufen würden: »Wir sind das Volk!« und »Wir wollen Priester, die im Leben stehen.« …

Wer Priester sein möchte, kann selbstverständlich unverheiratet sein – »Wer es fassen kann, der fasse es« – aber wer diesen Beruf vorzugsweise als Verheiratete bzw. als Verheirateter ausüben möchte, soll dies auch mit der Gnade des Sakramentes der Ehe tun dürfen. Warum soll ein Priester eigentlich nur sechs Sakramente empfangen dürfen? Insbesondere mit Blick auf meine bald 40 Ehejahre drängt sich mir die Frage auf: Was verlangt die Kirche da eigentlich von Menschen, wenn sie diese mit einem besonderen kirchlichen Dienst beauftragt und ihnen zugleich Ehelosigkeit auferlegt? Sie verlangt nämlich nicht mehr und nicht weniger als einen Verzicht auf ein Sakrament, ein lebendiges und überzeugendes Heilsangebot Gottes.

Ein Sakrament ist nach kirchlicher Lehre eine heilswirksame Zeichenhandlung – im Unterschied zu einem rein religiösen Symbol wie zum Beispiel ein Kreuz, Wasser oder geweihtes Öl. In der Tradition der katholischen Kirche kennt man seit Jahrhunderten sieben Sakramente, die man in der Gemeindepastoral gerne als lebensbegleitende Zeichen der Nähe Gottes zu uns Menschen betrachtet. Angefangen von der Taufe, die man traditionell als Kind empfängt, bis zu jenem Sakrament, das einem Menschen bei schwerer Krankheit oder gar in Nähe des Todes gespendet wird, werden sie uns im Laufe des Lebens sozusagen als Heilswegweiser angeboten. Im Auftrag der Kirche, letztlich durch Jesus Christus gespendet von einem Priester oder gar vom Bischof, wie dies zum Beispiel bei der Firmung üblich ist.